Samstag, 20. September 2014

Marokko im April / Mai 2013

Es ist laut, sehr laut! Es ist hektisch, sehr hektisch!! Ein undurchdringliches Stimmengewirr legt sich über die Szene in mindestens fünf verschiedenen Sprachen. Wir werden von zehn Leuten gleichzeitig angesprochen, die uns ihre „Hilfe“ anbieten. Aber was heißt hier schon „uns“? Anke wird als Frau gänzlich ignoriert und wir hören immer nur „Monsieur, Monsieur“. Schnell merken wir, dass Hilfe gleichbedeutend ist mit Business, und Höflichkeit gerne als Schwäche gedeutet wird. Der aufkommende Ärger über diese Tatsache hilft uns dann, uns von der provozierten Hektik nicht anstecken zu lassen und mit klarem Kopf die Situation zu erfassen.
Was ist denn schon passiert? Obwohl auf afrikanischem Kontinent befinden wir uns auf spanischem Boden innerhalb der Enklave Ceuta (oder Sebta) und nähern uns den hermetisch abgeriegelten Grenzanlagen. Hunderte selbsternannte Schreiber wollen gegen ein entsprechendes Trinkgeld bei den Einreiseformalitäten behilflich sein und kennen vor lauter Konkurrenzkampf kein Halten mehr. Einer ist im unvermeidlichen Stop&Go vor der eigentlichen Grenze besonders hartnäckig und spricht mich in einer Mischung aus Französisch, Spanisch, Englisch, Deutsch immer wieder an. Irgendwann frage ich ihn nach seinen Vorstellungen und bekomme direkt das zweite Vorurteil bestätigt: „Was Du meinst.“ Genau davor wird in den einschlägigen Foren gewarnt und die Vereinbarung eines Festpreises empfohlen. Als ich ihm sage „Nichts“ wird das dritte Vorurteil widerlegt: von wegen sprachgewaltig und schlagfertig. Der Mensch ist fassungslos sprachlos. Meine Begründung, dass wir uns das auch ohne fremde Hilfe zutrauen scheint ihn jedoch so bei der Ehre zu packen, dass er einwilligt und uns ohne Bakschisch bei den Grenzformalitäten helfen will. Auf den Müllhaufen mit den Vorurteilen. Es lockt ein uns unbekannter Kontinent mit einer fremden Kultur und Religion, die wir als Gäste ungeachtet allen Unverständnisses achten und respektieren wollen. Also auf in unser „Abenteuer“.
Tatsächlich sind wir in einer knappen halben Stunde afrikatauglich abgestempelt und bedanken uns entgegen der Vereinbarung mit zehn Euro. Spätestens jetzt geraten auch die Vorurteile gegenüber uns Europäern in bedenkliche Schieflage und wir trennen uns in Freundschaft mit herzlichen Umarmungen.
Jetzt sind wir tatsächlich hier! Gestern noch standen wir vor diesem Wegweiser:

Wegweiser in Tarifa

So nah und aufgrund der heftigen Stürme doch so fern. Alle Fähren waren abgesagt, sodass wir uns auf einem Campingplatz in Tarifa einrichten und noch einmal gedanklich unser Vorhaben durchgehen. Noch nie haben wir soviele ungläubige Reaktionen ob unseres Reisezieles erhalten! Die aktuelle Sicherheitslage, der Krieg in Mali und die Warnungen des Auswärtigen Amtes wurden immer wieder angeführt. Natürlich haben wir diese Dinge auch verfolgt, waren uns aber auch einig, dass in einem Land, in dem Tausende europäische Rentner den Winter mit ihren Wohnmobilen verbringen, keine großen Sicherheitsrisiken zu erwarten sind. Zudem soll es auch in deutschen Großstädten bei nächtlichen Kneipenbummeln schon zu Gewalttaten gekommen sein.
So mutiert unsere Raseenduro wieder zur Reiseenduro und wird erstmalig per Spedition in sonnigere Gefilde nach Madrid verfrachtet. Wir fliegen eine Woche später nach und entscheiden uns aufgrund der durch den langen Winter fehlenden Fahrpraxis, erst einmal zwei Tage von Madrid über Landstraßen durch Andalusien in Richtung Tarifa zu bummeln. Endlich wieder "on the road", Sonne und Landschaft genießen und wieder Vertrauen in Maschine und Fahrkönnen sammeln. Beinahe unverzeihlich, welche Orte und Landschaften zu Randerscheinungen verkommen, da wir erstmalig in Andalusien sind.
Tags darauf das gleiche Bild: heftige Stürme verhindern jeglichen Fährverkehr. So brechen wir auf gut Glück auf nach Algeciras, wo heute auch tatsächlich eine einzige Fähre ablegen soll. Das wird unsere! Und so können wir nach der oben geschilderten Prozedur die Uhren um zwei Stunden zurückdrehen und die ersten 150 km auf marokkanischem Boden zurücklegen. Zunächst befahren wir eine vierspurige mit Palmen gesäumte Straße direkt an der Küste entlang. Trotz der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h kommt keine Langeweile auf, da es schon hier soviel Neues und Fremdes zu sehen gibt! Landschaftlich interessant wird es hinter Tetouan, wo wir in das R(K)ifgebirge abbiegen und für die erste Nacht unser Zelt in Chefchaouen aufbauen.

Blick über Chefchaouen





Chefchaouen ist eine schöne Stadt, die lange unter spanischem Einfluss stand und mit ihren blauweiß gestrichenen Häusern und engen Gassen auch eher andalusisch wirkt. Leider ist es schon spät, sodass wir auf unserem abendlichen Bummel durch den Ort kaum Fotos machen können. Dafür zieht uns das Treiben sofort in seinen Bann und wir genießen die Atmosphäre.

Am nächsten Morgen starten wir zur Durchquerung des Rifgebirges; eines der größten Cannabisanbaugebiete überhaupt. 
Im Rifgebirge
Im Rifgebirge

Früher wurde die Durchreise nur im Konvoi empfohlen, was heute überflüssig erscheint. Allerdings nervt die ständige Anmache schon ein wenig. Überhaupt entsteht der Eindruck, dass wir trotz der vermeintlichen Einsamkeit beim Bereisen einer wunderschönen Gebirgslandschaft nie „allein“ sind. Sobald wir anhalten um ein Foto zu schießen, die Karte zu wenden oder einfach eine Pause einzulegen , wächst ein Mensch aus dem Boden, der in gewohnter Neugierde einen Haufen Fragen stellt und grundsätzlich etwas zu verkaufen hat. Der normale Ablauf eines Gespräches entwickelt sich in etwa so: Bonjour! – Ca va? – Wie heißt Du? – Wo kommst Du her? – Wo willst Du hin? – Smoke? Haschisch? Chocolade? Höfliches aber bestimmtes Ablehnen reicht in den meisten Fällen und während einer ca. einstündigen Picknickpause lernen wir gezählte 15 verschiedene Verkäufertypen kennen!
So erreichen wir über die N2 und die R509 durch abwechslungsreiche, kurvenreiche Gebirgslandschaft mit Zedern- und Eichenwäldern unser Tagesziel Fes wieder relativ spät. Schon weit im Norden der Stadt warten an den Kreisverkehren der Zubringerstraßen die „Hello – Brothers“ auf Reisende: Mopedfahrende Schlepper, die „Hello“ – rufend und neben Dir her fahrend ihre Hilfe bei der Suche nach Medina, Hotel oder Campingplatz anbieten. Total uneigennützig und karitativ, natürlich. Wir lachen und erwidern die Rufe, finden unseren Weg aber auch so und checken auf dem empfehlenswerten Campingplatz für zwei Nächte ein, um uns die alte Königsstadt Fes einen Tag lang in Ruhe anzuschauen.

Stadttor Fes
Die älteste der vier Königsstädte mit der sagenumwobenen Medina. Wir lassen uns vom Campingplatz per Taxi an den Südrand der Medina fahren und bummeln den kompletten Tag durch die Stadt. Von der ersten Sekunde an sind wir fasziniert und lassen uns von dem orientalischen Charme verzaubern. Enge Gassen, die nur mit Handkarren oder Eseln versorgt werden können liegen unter schattenspendenden Strohmatten. Lebende Tiere landen Minuten später auf Tellern, Handwerker zaubern Gegenstände mit spärlichstem Werkzeug, Geräusche und Gerüche lassen
Marktstand Medina Fes
uns mehr als einmal   zusammen-zucken, da sie kaum zuzuordnen sind.






















Fes


















Bab Bojeloud in Fes






















Der nächste Morgen überrascht uns mit Nieselregen. Schnell ist alles zusammengepackt und wir brechen auf in Richtung Süden. Auch wenn das Tankstellennetz relativ dicht ist, müssen Distanzen oft nach der nächsten Tankstelle oder verfügbaren Campingplätzen abgesteckt werden. So ergibt sich für heute fast automatisch das Etappenziel Midelt. Die R503 führt uns über Sefrou durch ausgedehnte Obst- und Gemüsefelder durch das Massif du Kandar über Pässe bis zu 1.800 m. Im Ort Boulemane ist Souk (Wochenmarkt), der wie alle Märkte für unsere Verhältnisse chaotisch wirkt. Man muss vorausschicken, dass sich Marokko grundsätzlich auch ausschließlich auf Asphalt bereisen lässt. Allerdings beginnt 1 mm links und rechts der Straßen nackte Erde, Staub und Dreck; innerorts wie ausserorts! Keine Bürgersteige und keine Parkplätze. Und so breiten die Straßenhändler ihre Ware entsprechend ihres Namens auch dort aus. Dazwischen drängeln sich Fußgänger, Esel, Pferde, LKW und abenteuerlustige Touristen auf Motorrädern. Natürlich in beide
Richtungen, wobei die korrekte Fahrtrichtung auch schon mal britisch ausgelegt wird. Angepasst an die landestypische Gelassenheit benötigen wir so auch schon einmal zwei Stunden Zeit für eine Orts“durchfahrt“ mit intensiven Erlebnissen und Gesprächen. Ihr wisst schon: Bonjour – ca va? - … Ich weiß nicht mehr, ob es um Teppiche oder Mineralien ging. Hinter Boulemane verläuft die Straße fast schnurgeradeaus über eine karge steppenähnliche Hochebene und bietet
beeindruckende Panoramen in einer nahezu grenzenlosen Weite, die nur von ein paar ausgetrockneten Flussbetten unterbrochen wird.
In der Ferne erkennen wir schon die schneebedeckten Gipfel des Hohen Atlas. Auch hier ein lustiges Erlebnis: ein etwa 12-jähriger Hirte deutet uns im Vorbeifahren mit Trinkbewegungen seinen Durst an. Voller Mitleid ob seines Jobs weitab jeglicher Zivilisation in der staubigen Einöde halten wir an und reichen ihm unsere Wasserflasche, aus der er auch genau einen Schluck nimmt und sodann nach einem cadeau (Geschenk) fragt. Wir geben ihm unseren letzten Kugelschreiber und lassen ihn ein Foto von uns machen. Aufgrund dieses Erlebnisses haben wir im Verlaufe des Urlaubes zwei weitere Menschen wohl verdursten lassen müssen…
Schließlich erreichen wir doch noch die Stadt Midelt, die sich als Handelszentrum für Mineralien entwickelt hat. Es gibt hier unglaublich schöne Fossilien die von unglaublich vielen Händlern an den unglaublichsten Orten zum Verkauf angeboten werden. Nur so viel: nach dem gefühlt 200ten „Bonjour – ca va? - …“ haben wir auch welche gekauft. Ein schönes und zudem tankrucksackgeeignetes Andenken. Der örtliche Campingplatz lässt uns neue und bisher unbekannte Grenzerfahrungen bezüglich Hygienestandards von Sanitäranlagen kennenlernen, sodass eine ungewaschene Abfahrt sauberer erscheint als eine gewaschene.

Leider ist die Piste zum Cirque de Jaffar gesperrt, sodass uns der heutige Tag durch die Gorges du Ziz und den Tunnel der Legionäre führt. Der Fluss zwängt sich durch ein enges Felsental und hat dabei eine beeindruckende Schlucht gegraben, an deren Ende er zum Trinkwasserspeicher gestaut wird.
Gorges du Ziz
Gorges du Ziz
Gorges du Ziz



































Hinter Errachidia wollen wir uns einen Traum erfüllen und biegen ab ins Oasental des Ziz in Richtung des Tafilalt zum Erg Chebbi. Schon die Fahrt dorthin ist unbeschreiblich schön. Aus den Augenwinkeln erspähe ich im Vorbeifahren inmitten trostloser Steinwüste einen grünen Fleck. Wenden, zurück, große Augen, offener Mund. Tief unten öffnet sich ein Canyon, dessen Grund üppigst mit Palmen bewachsen ist und von Lehmdörfern gesäumt wird. Jetzt kommen die Vorteile der Adventure zum Tragen und wir fahren den Rand des Canyons entlang. Hier sitzen wir eine Stunde und lassen die Eindrücke auf uns wirken. Hier wird uns auch bewusst, dass wir jetzt den Schalter gefunden haben, uns voll und ganz auf das Land und die Leute einlassen zu können, respektive zu wollen.
Oasenlandschaft an der N13
Aoufous an der N13


































Bei der Wüstenoase Merzouga erreichen wir das Erg Chebbi, das größte Dünengebiet Marokkos. Auch wenn hier in den letzten Jahren rings um die Dünen viele Hotels entstanden sind, erscheinen uns die bis zu 150 Meter hohen Sanddünen hinter der Steinöde der Black Desert wie Naturwunder.
Erg Chebbi bei Merzouga


















Uns ist auf der Anreise bereits die Auberge "Soleil Bleu" empfohlen worden, die wir nach zwei Kilometern Sandpiste ansteuern.
Frei nach dem Motto „Sehen, Verlieben, Verweilen“ checken wir ein und stürmen nach der notwendigen Dusche die Dünen.

Sahara bei Merzouga
Im Erg Chebbi



































Gerade noch rechtzeitig für den Sonnenuntergang. Eigentlich wollen wir schon zurück, bemerken jedoch ein sich anbahnendes Naturschauspiel, das wir zunächst aus der Ferne beobachten können: Regen in der Sahara!!
Triefnass erreichen wir die Auberge und werden gefeiert als die, die den Regen bringen. Wir müssen an unseren Frühling zuhause denken und können die Freude der Menschen hier nicht ganz nachvollziehen. Dank des anhaltenden Regens fällt kurz darauf der Strom aus und die Lehmwände der Kasbah müssen gesichert werden.
Der nächste Morgen bringt wieder Sonne satt und wir wollen endlich im Sand spielen. An einem der Vorabende haben wir Meikel kennen gelernt: einen jungen Burschen der wie wir alleine unterwegs ist. Irgendwie ist es uns gelungen, uns allabendlich ohne Verabredung wieder zu treffen. Heute jedoch wollen wir zusammen in die Sahara fahren und bereiten die Motorräder vor (Luftdruck senken, Kette abtrocknen, Luftfilter prüfen,…). Die Jungs von der Auberge sind neugierig und versorgen uns mit Tipps für ihre Heimat. Als ich Ibrahim anbiete selber mal zu fahren, besteht die Reaktion aus ungläubigem Staunen gepaart mit spontaner Zustimmung. Und so entsteht das Märchen vom modernen Tuareg:
Ibrahim als moderner Tuareg
Die drei Brüder der Auberge























Spontan erklärt er sich bereit, uns (seine Freunde!!) heute zu führen. Er fährt bei Meikel mit und zeigt uns die Schönheiten der Gegend, die wir ohne seine Ortskenntnis wahrscheinlich niemals gefunden hätten. Vor dem Vergnügen noch ein wenig Kultur: wir besuchen die Trommelschule in Khamlia, wo die Gnaoua Musik ihre Wurzeln hat.













Die Jungs haben wirklich Spaß an ihrem Tun und sind regelmäßige Teilnehmer an diversen Weltmusikfestivals.

Unterwegs in der Black Desert
Sahara

Durch den Regen der vergangenen Nacht ist der Sand mitunter tückisch und kaum zu „lesen“. Trotzdem macht es einen irrsinnigen Spaß, über die Dünen zu gleiten und man merkt mit jedem Kilometer, wie das Vertrauen in die Maschine und das eigene Fahrkönnen steigen. Übermut und Begeisterung können aber nicht über das eigentlich nicht vorhandene Fahrkönnen hinwegtäuschen, sodass mit der Schwere der Stürze die Vernunft wieder die Oberhand gewinnt: lassen wir es also etwas gemütlicher angehen.

So erreichen wir irgendwann auch den Flamingo See, der inmitten ausgedehnter Sandfelder unterirdisch durch den Ziz – Fluss gespeist wird.
Flamingosee

Auf dem Rückweg lernen wir Ibrahims Bruder kennen, der mit seiner Freundin in der Wüste ein nahezu autarkes Leben führt und von den Erträgen seiner Mineraliensuche lebt. Ein Leben in absoluter Bescheidenheit und ohne großen Luxus. Im Gespräch mit den beiden kommen wir jedoch zu der Erkenntnis, dass ihr persönlicher Reichtum in ihrer Armut liegt. Nicht jedermanns Sache, aber uns hat es nachhaltig beeindruckt.

So haben wir für 90 km fast einen ganzen Tag verbraucht und sind von den Anstrengungen entsprechend geschafft. In Anbetracht des anstehenden Highlights ist aber von Müdigkeit keine Spur, da wir die Möglichkeit haben, an einem 2 Tagestrip zu Berbernomaden teilzunehmen. Als Gepäck haben wir nichts mit außer Schlafsack und Zahnbürste; so reiten und laufen wir bis zum Sonnenuntergang in die Dünen zum Camp und genießen die Nacht unter freiem Himmel, der einen unglaublichen Sternenreichtum bietet. Hier könnten nun seitenlange Schwärmereien folgen, die aber nur eines besagen: unbeschreiblich schön! Wer einmal die Möglichkeit dazu hat: MACHEN!
Unterwegs in der Sahara
Vom Wind geformt
Wüstencamp









Leider müssen wir diesen schönen Flecken Erde wieder verlassen und machen uns auf den Weg in Richtung Westen. Der Abschied von unseren neuen Freunden fällt entsprechend herzlich aus.


bei Tinerhir
Gorges du Todra
Gorges du Todra

Die N13 ist zunächst bis Taouz asphaltiert und geht dort in eine mit Steinen markierte Sandpiste über. Nach etwa 20 km geben wir auf und kehren um, da eine Weiterfahrt zu zweit mit Gepäck bei einer Distanz von fast 260 km zu riskant erscheint. Außerdem sind immer wieder Militärposten zu sehen, die die nahe Grenze zu Algerien absichern. So fahren wir die sichere Variante über Rissani und die N12 bis Alnif. Von dort geht es über eine Schotterpiste, die nach ca. 25 km in Asphalt übergeht an kleinen Oasen vorbei zur Straße der Kasbahs nach Tinerhir. Hier wird der Campingplatz Ourti für eine Nacht zu unserer Heimat. Noch schnell das Zelt aufgebaut und das Nötigste eingekauft (hier gibt es auch zum ersten Mal wieder einen Laden mit Alkohollizenz für zwei Flaschen Rotwein) und wir besuchen noch ohne Gepäck die Gorges du Todra. Die Schlucht verengt sich extrem und ist auf wenigen hundert Metern sehr spektakulär; allerdings auch touristisch erschlossen.















Der nächste Morgen weckt uns mit Sonnenschein und wir machen uns auf den Weg zu den nächsten Höhepunkten. Überhaupt ist das Land gesegnet mit landschaftlichen Besonderheiten, die uns schon jetzt dazu zwingen, vorgefasste Pläne über den Haufen zu werfen. Doch bevor wir Prioritäten setzen, wollen wir uns lieber treiben lassen und die Tage genießen, wie sie kommen. Ansonsten hätten wir das Erlebnis der Wüstenwanderung wohl nicht erfahren dürfen.
Go west










So kommt es, dass auch die Gorges du Dades den Tagesablauf ob ihrer Schönheit dominiert. Auf dem Weg dorthin haben wir schon ein Tor mit vielversprechender Aussicht passiert.


Der Dades zwängt sich über mehr als 60 km durch ein enges Tal und wird begleitet von bizarren Felsformationen.
bei Boumalne
Affenfußfelsen
Affenfußfelsen
Dades Schlucht












Der Höhepunkt ist jedoch eine Serpentinenstraße, die sich bis auf 2.100 Meter hochschraubt und einen tollen Blick zurück ins Tal erlaubt.

Zurück in Richtung Westen fließt der Dades durch ein breites und fruchtbares Tal. In der Oase El Kelaa des M’gouna blühen Millionen von Rosen, die hier zu Rosenwasser und –öl verarbeitet werden. Unterkunft finden wir heute auf dem Camping Amridil in Skoura wo wir für zwei Tage bleiben, um am nächsten Tag einige Pässe ohne Gepäck zu fahren.
So fahren wir am nächsten Tag am Stausee vorbei durch Ouarzazate und biegen kurz darauf ab nach Ait – Benhaddou: Weltkulturerbe, Filmstar und Lehmbau alter Schule.
Ait - Benhaddou

Da wir heute ohne Gepäck schon früh aufbrechen konnten, können wir die 1.001 selbsternannten Fremdenführer ganz ohne Ablenkung durch busreisende Pauschaltouristen einzeln und persönlich kennenlernen. Doch wir haben ja dazugelernt und können mit der entsprechenden Gelassenheit und Zeit mit den Menschen reden und auch ohne Inanspruchnahme einer Dienstleistung freundschaftlich auseinandergehen. So, und nur so macht die Mentalität der Menschen richtig Spaß!!


Kasbah Richtung Telouet









Wir fahren die winzige und vernarbte Nebenstraße in Richtung Telouet weiter und finden bei Achahoud eine Kasbah, die der in Ait – Benhaddou in nichts nachsteht; bis auf die fehlenden Touristen samt ihrer Begleiterscheinungen.


Auch landschaftlich dürfen wir wieder Momente erleben, die zum Innehalten auffordern und uns immer wieder zu längeren Genusspausen zwingen.
















Über den Tizi-n Tichka geht es weiter Richtung Marrakech. Kurz vor der Stadt wenden wir uns wieder Richtung Osten, um dann über die winzige R307 durch eine abwechslungsreiche Berglandschaft zurück zum Campingplatz zu finden. Hier ist uns leider die Zeit ein wenig davongelaufen, sodass es keine Fotos zu dieser bemerkenswerten Passage gibt.

Der heutige Tag gehört dem Anti Atlas, dem wir auf fast kompletter Ausdehnung in südwestlicher Richtung folgen. Der Gebirgszug ist bis zu 2.500 m hoch und von Wasserarmut geprägt. Unzählige steinige Pisten durchziehen die Berge auf mehreren hundert Kilometern.







Jetzt zu Anfang Mai blühen in den Höhenlagen die Bergblumen und fordern zu einer Pause auf.













Die Route führt von Skoura über Ouazazate, Tazenakht und Taliouine, bevor wir auf die winzige und kurvenreiche R106 über Igherm nach Tafraoute in das Herz des Anti Atlas abbiegen. Landschaftlich wieder ein Volltreffer durch das Zentrum des Safrananbaus. Ackerbau und Viehzucht kann hier in seinem Ursprung beobachtet werden. Der Pflug wird noch von Eseln gezogen, Lasten von Menschen (vielmehr Frauen), Eseln und Dromedaren transportiert.

Tafraoute ist von bizarren Felsformationen aus Granit umgeben, die in der Sonne rosafarben schimmern.

Hier finden wir wieder einen Campingplatz für die nächsten beiden Nächte, da wir uns den Ort und seinen gerühmten Markt ansehen und ohne Gepäck die Piste durch die Gorges d’Ait Mansour erkunden wollen. Zudem machen uns die auf der Anfahrt ausgeschilderten „coloured stones“ neugierig.

Der Markt ist wirklich sehr vielfältig und bunt. Bekannt ist die Gegend für ihre Lederschuhe, die in zahlreichen Läden zusammengeschustert werden, wobei man jeden Schritt der Verarbeitung beobachten kann. Natürlich dauert es nicht lange bis zum ersten und zweiten und dritten und … „Bonjour – ca va“ und wir sehen den ein oder anderen Laden auch von innen. Mehrere Tees später haben wir immer noch keinen Teppich gekauft und erreichen im xten Anlauf unser Ziel: eine Arganölcooperative. Wir decken uns mit dem wohlschmeckenden Öl ein und machen uns für den Ausflug in die Schlucht fertig.
Coloured stones bei Tafraoute
Coloured stones
















Im Reiseführer hatten wir von der Schönheit der Schlucht gelesen, die sich aufgrund der deftigen Zufahrt nur wenigen Besuchern erschließt. Auf dem Weg dorthin biegen wir in Richtung der bunten Steine auf eine Sandpiste ab. Hinter einer Kuppe legen wir beinahe das Motorrad ab, weil wir mit diesem Anblick nicht gerechnet hatten:

Der belgische Künstler Jean Verame hat hier im Jahr 1984 Felsbrocken bemalt, die verstreut auf einer Hochebene liegen.

Gorges d’Ait Mansour
Gorges d’Ait Mansour
Gorges d’Ait Mansour
Gorges d’Ait Mansour
Tizerkine Schlucht
Tizerkine Schlucht
Genug Kultur, jetzt lockt wieder Natur. Es dauert nicht lange, bis wir in eine unwirklich erscheinende Kulisse eintauchen, die uns vom ersten Moment an gefangen nimmt. Rote senkrechte Felswände, die an ihrem Grund entlang eines schmalen Bachbettes von grünen Palmen geschmückt unter einem klaren blauen Himmel aufragen.









































Die Fahrt durch diese Szenerie auf einer einspurigen Piste führt über 20 km und geht in die Tizerkine – Schlucht über. Hier folgen ca. 30 km übelster Schotterpiste, die auch durch ausgetrocknete Flussbetten mit fußballgroßen Steinen führt.






































Die gesamte Rundfahrt beträgt fast 100 km und dauert ohne Pausen knapp vier Stunden, in denen man mehrere einsame Dörfer berührt aber kein anderes Fahrzeug zu sehen bekommt.

Abends beim Rotwein entscheiden wir uns für eine Weiterfahrt an die Atlantikküste.
Adai













Bei der Fahrt in Richtung Atlantik entdecken wir in dem Ort Adai eine spektakulär in die Felswand gebaute Moschee

Oben auf dem 1.200m hohen Col du Kerdous können wir schon das Meer sehen. Durch Tiznit mit seiner die Medina umgebenden Mauer erreichen wir in Gourizim den Atlantik und lassen uns schon bald an den Strand von Legzira locken.
Bucht von Legzira
Felstore bei Legzira
Felstore bei Legzira
Felstore bei Legzira


Es gehen einem so viele Gedanken durch den Kopf, wenn man sich diesen bizarren Felsentoren nähert, die den Rahmen dieses Berichtes sprengen würden. Die Dimensionen sind gewaltig und die Urgewalt der Natur mit ihren formenden Kräften ist fast spürbar.
Es ist gut, dass man sich dieses Spektakel erarbeiten muss, da es keinen Weg in die unmittelbare Nähe der Bögen gibt und die Beschwerden der Strandwanderung scheinbar viele Leute von einem Besuch abhält.































Der weitere Weg führt uns nach Sidi Ifni, wo wir spät am Abend unser Zelt quasi direkt neben dem Atlantik aufbauen.









Camping Sidi Ifni





Sidi Ifni ist eine alte spanische Stadt, die sich mit ihrem verblichenen Charme der weißblau gestrichenen Häuser schmückt. Wir schlendern über den Markt und essen den wahrscheinlich frischesten Fisch unseres Lebens, der direkt vom Markt entschuppt und ausgenommen wird. Zehn Minuten später kommt er vom Holzkohlengrill auf den Tisch und ist einfach herrlich.

Lange sitzen wir noch neben dem Zelt und genießen unser heutiges Fernsehprogramm



Hier ist der südlichste Punkt unserer Reise erreicht und in Anbetracht der 4.000 km bis nach Hause starten wir am nächsten Morgen die Rückreise. Entlang der Atlantikküste segeln wir an Agadir vorbei und erleben noch einmal Küstenstraßen vom Feinsten.

Essaouira Hafen
Essaouira Festung
Essaouira Altstadt
Abends erreichen wir Essaouira, wo es scheinbar keinen Campingplatz mehr gibt. Dafür wundern wir uns über die vielen Leute, die vorbeifahrenden Fahrzeugen schlüsselschwenkend entgegenkommen. An einer Kreuzung spricht uns so ein Schlüsselschwenker an und wir begreifen, dass so Zimmer zur Übernachtung angeboten werden. Kurzentschlossen greifen wir zu und haben dadurch noch Zeit für einen Bummel durch die wirklich sehenswerte, aber auch relativ überlaufene Stadt. So viele Menschen sind wir kaum noch gewohnt, können uns aber trotzdem nicht dem Zauber der Stadt entziehen.

































Am nächsten Morgen ist es schon früh sehr warm. So langsam läuft uns auch ein wenig die Zeit davon und so entscheiden wir uns für einen Marathontag. Bei 47° (Celsius!!) streifen wir die Randbezirke von Marrakech und befahren bis Beni – Mellal langweilige Schnellstraßen. Ab hier wird die N8 über Kasba Tadla und Khenifra eine schöne und kurvenreiche Bergstraße, bis wir in Azrou auf einem schönen Campingplatz nach 610 Tageskilometern unser Zelt unter Kirschbäumen aufschlagen.

Durch Meknes und Ouazzane fahren wir wieder über Chefchaouen nach Ceuta, wo wir Abends die Fähre nehmen und erneut unseren Campingplatz in Tarifa ansteuern. Heute Abend gibt es wieder einen spanischen Rotwein und dazu einen Haufen melancholischer Gedanken.
Einen Tag Fahrgenuss wollen wir uns zum Ausklang noch gönnen. Die Garganta del Chorro hat es uns auf Fotos angetan und wir nähern uns ihr auf kleinsten Straßen.
Garganta del Chorro


Garganta del Chorro






























































Der Anblick mit dem querenden Camino del Rey ist ein schöner Abschluss unserer Tour, bevor wir am nächsten Tag Madrid erreichen und die KTM wieder auf ihrem Transportgestell verzurren. Zwei Stunden später sitzen wir im Flugzeug nach Hause.

Unser Fazit ist diesmal nicht wirklich sachlich zu fassen. Wir haben keine Weltreise unternommen und uns keine Auszeit gegönnt, sondern waren nur drei Wochen in Urlaub. Aber diese drei Wochen waren so intensiv und haben viele neue Erkenntnisse und Begebenheiten erbracht! Wir durften fantastische Menschen und deren Kultur kennenlernen (auch wenn wir drei Tage voller Zweifel benötigt haben, bis wir uns voll auf die Umstände einlassen konnten),
haben unglaubliche Natur- und Landschaftserlebnisse geniessen dürfen, Traumstecken befahren, eine bisher nicht bekannte Ruhe und Zufriedenheit erfahren, in der Sahara unter freiem Himmel geschlafen und nur "Sterne geguckt", sind in den Atlantik gehüpft, haben fest vorgenommene Sehenswürdigkeiten einfach gestrichen und dabei nichts verpasst sondern nur gewonnen.
Am meisten beeindruckt haben uns die unendlich vielen, offenen Blickkontakte mit den Menschen. Fast immer gingen sie einher mit einem Lachen, einem Winken oder freudestrahlender Begeisterung. Bei den Ortsdurchfahrten brauchte ich in der Nähe von Kindern nur den rechten Arm auszustrecken und die Kiddies stellten sich in einer Reihe zum Abklatschen auf; ein tolles Gefühl!
Marokko: wir kommen auf jeden Fall wieder!

Zum guten Schluss eine Slideshow der schönsten Bilder:









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